3. Der rote Wyssenbacher

Der rote Wyssenacher

Das Jungfrauen-blutbad

Sagentext

Auf dem waldigen Lindenberg lag einst das Schongauerbad, das man auch hin 
und wieder als Guggibad ansprach, weil man weit herum «guggen» konnte oder 
weil auch hier der teuflische Gugger rachsüchtig hauste. Andere Leute wussten 
aber eher vom Wyssenbacherbad zu berichten und bekreuzigten sich beim Namen des Wyssenbachers. Fromme Frauen plauderten aber lieber andächtig vom 
Elfjungfernbrunnen, der hier oben entsprungen sei.

Auf der Lindenberghöhe, man weiss nicht mehr genau wo, hatte der rote Wys
senbach seinen Herrensitz. Er muss ein steinreicher Mann gewesen sein, der allen 
Lüsten frönte und dann zur Strafe für sein ausschweifendes Leben mit einem 
grausigen Aussatz bestraft wurde. Kein Heilbad, weder Arzt noch Wunderdok
tor konnten ihm helfen, es war kein Heilkräutlein für ihn gewachsen. Alle Leute 
der Umgebung mieden ihn, keine Dienstmagd, kein Knecht wollten auf seinem 
verschrienen Herrensitz dienen.

Von der ganzen Umwelt geächtet und scheu gemieden ritt er durch Wald und Flur. 
Es muss ein arg böser Geist gewesen sein, der ihm ein schlimmes Heilmittel ins 
Ohr geflüstert hat: Bade dich im Blute von zwölf Jungfrauen und du wirst gesund 
und vom Aussatz befreit. Auf der Höhe des Lindenbergs sah er eines Morgens elf 
Töchter aus dem nahen Boswil dem Schlattenweg entlang ins Seetal nach Hitzkirch pilgern. Mit einem starken Strick fing er die Mädchen und trotz allem Bitten und Flehen knüpfte der rote Unhold alle an den tief hängenden 
Ästen einer mächtigen Eiche auf und ging auf die eilige Suche nach der zwölften 
Jungfer, um so zu seinem Heil versprechenden Bad zu kommen. In der waldnahen Mühle kannte der Wyssenbach ein hübsches Mädchen und mit 
süss lockendem Lied und bittendem Rufen lockte er die Müllerstochter zu sich 
und riss sie mit wildem Griff auf sein ungeduldig scharrendes Ross. Mit der Beu-
te sprengte der Räuber davon zu der Bluteiche der elf unglücklichen Jungfrauen von Boswil. Die Müllerstochter ahnte ihr schlimmes Ende und flehte den 
aussätzigen Wyssenbach an und bat um einen letzten Wunsch. Der Mädchenräuber fühlte sich sicher und gewährte die Bitte:

Wir sind hier zwischen Wald und Feld
es hört Dich weder Gott noch Welt
drum schreie, was du schreien kannst!

Die Todgeweihte rief nach Vater, Mutter und Bruder, aber der Vater sass beim 
Wein, die Mutter war krank und der Bruder auf der Jagd. Die kranke Mutter aber 
spürte die Not ihres Kindes und hörte die zitternde Stimme der hilflosen Tochter 
und in grosser Angst rief sie dem jagenden Sohn und der Wind trug die müt
terliche Bitte in den Wald. Der Bruder spürte die Not der Schwester und hörte 
plötzlich die hilfeflehenden Rufe. Er ritt dem Rufen nach, brach durch das dor
nige Gestrüpp und stand urplötzlich vor dem roten Bösewicht, der seine letzte 
Beute, die zwölfte Jungfer, an der Eiche aufknöpfen wollte. Mit wildem Sprung 
befreite er seine fast ohnmächtige Schwester, fesselte mit dem Todesstrick den 
überraschten Wyssenbacher an den Sattelkopf seines Pferdes, gab dem Tier die 
harten Sporen und in wildem Ritt schleifte er den Bösewicht im Walde zu Tode. 
Mit der befreiten Schwester vor sich ritt der Bruder nach Hause, wo die kranke 
Mutter sehnsüchtig auf ihre Kinder wartete und auf müden Knien neben dem 
Bette betete.

Die toten Leiber der elf Mädchen wurden bei der Bluteiche im Waldboden bestattet, eine kleine Quelle entsprang dem Unglücksplatz und viele Kranke fanden 
in dem kühlen Waldwasser Heilung von vielen Gebresten. Wenn auf der Höhe 
des Lindenbergs sich graue Wetterwolken ballen, hört man oft den roten Wyssenbacher mit seinem fuchsroten Pferd durch das Gehölz jagen.

Kunstwerk

In der Mitte steht markant ein Pferdekopf mit weit geöffneten Nüstern aus Mägenwiler Muschelsandstein herausgehauen. Darüber schweben an Stahlseilen die elf erhängten Jungfrauen. Der Pferdekopf ist halb Skelett und halb lebendig und führt uns so zu dem schrecklichen Wesen, das im roten Wyssebacher geweckt wurde. Das Blut das aus den umliegenden Astlöchern der Bäume hervorquillt, steht für das grosse Leid sowie für das heilende Quellwasser.

Künstlerportrait

Thomas Baggenstos

Thomas Baggenstos
Bildhauer
Rebmattweg 8
6402 Merlischachen

Kurzbiographie

1983 geboren und aufgewachsen in Merlischachen
2003 Lehrabschluss als Maurer Bildhauerarbeiten in der Freizeit
2004 Ausstellung in Frankreich

Studienreise in Australien
2007 Lehrabschluss als Steinbildhauer
diverse Teilnahmen an Symposien und Schneeskulpturen-Wettbewerben
2008 Studienreise ein halbes Jahr in Island