8. Der Stifeliryter

Der Stifeliryter

Hochmut kommt vor dem Fall

Sagentext

Das Kloster Muri, das von Gräfin Ita von Lothringen und Graf Radebot von 
Habsburg gegründet worden sein soll, wurde von Mönchen aus dem Finstern 
Walde, von Maria-Einsiedeln, besiedelt. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs der 
Landbesitz des Klosters, neue Güter kamen in den Verwaltungsbereich des Konventes und der Abt musste einen weltlichen Schaffner für die Verwaltung des 
weitverstreuten Klostergutes einsetzen. Der Gnädige Herr hatte aber nicht im
mer eine gute Hand bei der Wahl seines mächtigen Verwalters des grossen Be
sitztums; so weiss die Sage von einem rotbärtigen Gutsverwalter zu erzählen, 
der auf einem kräftigen Schimmel über Felder und Äcker, durch Wald und Flur 
ritt. Leider besass der Verwalter eine ränkesüchtige, grundfalsche Seele, wusste 
aber diese schlechten Eigenschaften unter einem scheinheiligen Tun zu verste
cken. Schmähte er auf seinen Ritten einsame Feldkreuze mit einem Fluchwort 
und schlug wildzornig mit seiner ledernen Reitpeitsche ein buckliges Weiblein 
am Ackerrand, so küsste er ergebenst den goldenen Ring des Prälaten in der Äb
testube des Habsburger Klosters und wusste alle Klagen gegen ihn fernzuhalten. 
Da er sich stets auf stolzem Ross zeigte, mit seiner Gerte auf die hohen Leder-
stiefel schlug und seine gierigen Augen habsüchtig herumschweifen liess, nannte 
ihn das Volk einfach den «Stiefeliryter».

Diesem üblen Burschen stach das Gehölz im Büttiker Bärholz schon lange in die 
raffgierigen Augen. Mit sehnsüchtigem Blick ritt er durch die grünen Sträucher, 
um das dunkle Bärholz und erhob plötzlich unerwarteten Rechtsanspruch auf 
diesen Besitz. Zwar fehlte ihm eine pergamentene Urkunde, aber auch die Büt
tiker Bauern hatten kein gesiegeltes Beweisstück für ihr angestammtes Gut. Es 
entstand ein böser Rechtsstreit und der kam vor den Landvogt in Bremgarten.

Der Landvogt erschien im Bärholz, die Bauern wiesen auf urdenkliche Zeiten 
hin, seit denen sie das Gehölz nutzten und der Stiefeliryter beharrte auf seinem 
Recht, das er mit einem Eid beschwören könne. Diesen Eid leistete er dann auch. 
Seine weiten Reitstiefel füllte er mit trockener Ackerkrume aus dem Murianer 
Klostergarten und unter seinen filzigen Allwetterhut steckte er die saubergeputz
te Milchkelle, welche die Sennen Richter oder Schöpfer nannten. So trat er vor 
den Landvogt, reckte seine drei Schwörfinger gegen den Himmel und schwor, 
der Wald gehöre dem Kloster, so wahr er auf Klosterboden stehe und den Schöp
fer und Richter ob sich habe. Das war der böse Meineid des Stiefeliryters und 
der Übeltäter fiel auf den Waldboden und war tot. In seinen Stiefeln fand man 
die Erde aus dem Klosterhof, in seinem Hut den Milchschöpfer. Im hintersten 
Winkel des Dorffriedhofes wurde er verscharrt, aber er fand keine Ruhe. In gras
grünem Jagdkleid ritt er mit verdrehtem Kopf auf seinem Schimmel über die 
Höhen des Lindenbergs. Aus seinem weitgeöffneten Schlund zuckte höllisches 
Feuer; mit klatschenden Hieben schlug er auf seine hohen Stiefel. Er schreckte 
einsame Wanderer und jagte Holzfrevler aus dem dunklen Tann des Bärholz. Da 
er auch in weiter Umgebung viele Übeltaten verbrochen, sah man ihn auch im 
Maiengrün, hörte ihn dröhnend über die Reussbrücke von Bremgarten reiten 
und mancher Holzarbeiter bekreuzte sich im Wohler Wald vor dem wild vorübertrabenden Reiter.

Kunstwerk

Die beiden Stiefel sind mit der Kettensäge aus Eichenholz geschnitzt und hängen über uns an einem freistehenden Tor fest montiert. Die ehemalige Steineinfassung einer Scheuneneinfahrt hebt die übergrossen Stiefel 4 Meter weit in die Höhe, so dass imaginär in der Fantasie der Betrachter ein übergrosser Reiter entsteht. Die Stiefel haben Eichenfarbe und Formenschönheit, die getragenes Leder in sich birgt. Sie sind ganz auf sich selber gestellt – genug um auf die Betrachtenden zu wirken. Die Verzierung am Stiefelrand hat bewusst auch etwas von einer Krone und somit märchenhaftes. Zusammen mit der barocken Absatzform ist es das 'Vornehme und Schöne', welches uns hier über unseren Köpfen entgegentritt und, gepaart mit Übergrösse sowie eingehauchtem Leben, auch dominiert. Der geschwärzte Balken steht für das Schicksal von diesem raffinierten Hochmut, der helle Stein für das Ross und auch als Tor zu dieser Geschichte.

Gesamthöhe 4 m, Breite 3.5 m

Künstlerportrait

Alex Schaufelbühl

Alex Schaufelbühl
Bildhauer
Atelier an der Reuss
Gnadenthal
5524 Niederwil

www.alexschaufelbuehl.ch

Kurzbiographie

1967 geboren und aufgewachsen in Bremgarten
1987 abgeschlossene Maurerlehre

freischaffender Kundenmaurer
1993 abgeschlossene Bildhauerlehre

Lehrjahre als Bildhauer und Restaurator auf der Stör
seit 1995 freischaffender Bildhauer
seit 1999 Atelier im Gnadenthal
diverse Teilnahmen an Ausstellungen und Symposien im In- und Ausland Initiant der offenen Steinbruchwerkstatt Mägenwil 2005

diverse Arbeiten im öffentlichen Raum